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Dr. Darla Nickel

Berliner Regenwasseragentur

„Niederschlag dem Klimawandel!“ Unter diesem Motto wirbt die Berliner Regenwasseragentur als gemeinsames Projekts des Senats und der Berliner Wasserbetriebe für den Umbau Berlins zur Schwammstadt. Ebenso schlagkräftig tritt auch Dr. Darla Nickel auf, Ingenieurin für technischen Umweltschutz und Leiterin der Agentur. Für die gebürtige Kalifornierin, deren Familie aus der Landwirtschaft kommt, ist Regen von Haus aus Anlass zur Freude – und zugleich zur Sorge. Denn ein Zuviel oder Zuwenig an Regen verursacht hier wie dort Hitze, Trockenheit und Überflutungen. Dem zu begegnen – indem man Regenwasser vor Ort zurückhält, versickert, verdunstet und etwa zur Bewässerung nutzt – ist ihr somit ins Stammbuch geschrieben. Und genau das ist es, was sie und ihr achtköpfiges Team von der Regenwasseragentur Eigentümerinnen und Eigentürmern von Immobilien, Planenden, Verwaltung und Wohnungsunternehmen nahebringen möchten – mittels Information, Beratung, Weiterbildung, Dialog, Öffentlichkeitsarbeit und einer ganzen Handvoll digitaler Werkzeuge.

Frau Dr. Nickel, die Berliner Regenwasseragentur feiert in diesem Jahr ihren fünften Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch dazu! Fünf Jahre Arbeit, um in der Stadt ein nachhaltiges Regenwassermanagement zu befördern und umzusetzen. Wenn Sie zurückblicken: Was sind die größten Erfolge?

Wir haben dem Regenwasser ein neues Image verpasst. Natürlich nicht wir allein. Aber ich denke, wir haben Anteil daran, dass die Menschen heutzutage in Regenwasser eine wertvolle Ressource sehen. Das zeigt sich auch im Handeln. Seit 2022 arbeiten wir beispielsweise eng mit der Arbeitsgruppe „Schwammstadt“ der BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH zusammen. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, im Unternehmen eine umfassende Strategie der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung auf Bestandsliegenschaften zu verankern. Dafür klären die Mitglieder der Arbeitsgruppe über das Thema Schwammstadt auf, organisieren Fortbildungen, stoßen Pilotprojekte an, verändern Arbeitsprozesse und Arbeitsstrukturen und beziehen in den Prozess sämtliche den Bau Managende des Unternehmens ein. Klar ist: Großen Unternehmen wie die BIM mit ihren 5.000 landeseigenen Immobilien haben eine Vorreiterrolle. Wenn sie das Thema Regenwasserbewirtschaftung in ihren Strategien verankern, hat das große Strahlkraft.

Wie ist denn die Haltung anderer Wohnungsunternehmen zum Thema Regenwasserbewirtschaftung?

Die Berliner Wohnungswirtschaft zeigt sich wasserbewusst. 85 Prozent der Wohnungsunternehmen Berlins finden, dass Regenwasserbewirtschaftung wichtig für die Stadt ist. 81 Prozent haben bereits entsprechende Maßnahmen umgesetzt. Das ergab eine Umfrage, die wir im Februar 2022 zusammen mit dem BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen unter den Mitgliedsunternehmen des Verbandes durchgeführt haben.

Welche Projekte oder Aktivitäten hätten besser laufen können? Und was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse daraus?

Wir unterstützen den Senat und die Bezirke dabei, die öffentlichen Straßen, Plätze und Grünflächen wasserbewusst umzugestalten. Heute ist es bei derartigen Projekten selbstverständlich, dass die Potenziale für eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung geprüft und genutzt werden. Die Flächenkonkurrenzen sind jedoch oft groß und die Potenziale nicht immer vorhanden. Häufig scheitern wir auch an „alten Mustern“, Standards und Finanzierungsmöglichkeiten. Die Erfolge fallen deshalb oft nicht so groß aus, wie man sich das wünscht und es notwendig wäre. Um diese Probleme zu beheben, möchten wir zukünftig noch mehr in den fachlichen Austausch investieren.

Im Frühjahr haben Sie erstmalig einen Wettbewerb „10 Ideen für die Schwammstadt Berlin“ ausgerufen und eine Fülle von Bewerbungen erhalten. Was hat Sie dabei am meisten beeindruckt?

Wir waren zunächst überrascht von der hohen Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern. Wir hofften auf 30 Einreichungen, am Ende hatten wir 75 auf dem Tisch. Die meisten waren so gut, dass es uns und der Jury schwergefallen ist, eine Auswahl zu treffen. Das zeigt, dass viele Menschen sich ernsthaft darüber Gedanken machen, wie man das Regenwasser in der Stadt halten kann. Auf der Abschlussveranstaltung konnten wir dann spüren, dass sich so etwas wie eine Community formiert. Berlins Umweltstaatssekretärin Britta Behrendt war auch da und schrieb später von einem „Mutmacher-Event“. So viel positive Energie in einem Raum habe sie ganz beseelt. Diese Community wollen wir weiter stärken.

Wie geht es mit den Gewinnerinnen und Gewinnern des Wettbewerbs weiter? Welche Unterstützung kann die Regenwasseragentur für die Umsetzung anbieten?

Der Wettbewerb selbst hat die Siegerinnen und Sieger bereits weitergebracht. Rhea Rennert, die einen Regenwasserspeicher in Form einer Sitzbank für den öffentlichen Raum vorgeschlagen hat, erhielt während und nach der Veranstaltung so viel Zuspruch, dass sie sich dazu entschied, ein Start-up zu gründen. Das Land Berlin strickt an Regeln und einem Förderprogramm für die Regenwassernutzung im öffentlichen Raum, von dem auch ihre Idee unmittelbar profitieren soll. Für Laura Tams und Björn Kluge, die beide an der TU Berlin forschen und mittels „Pfützen“ auf Gehwegunterstreifen Bäumen mehr Wasser zuführen möchten, haben wir einen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Bezirke Neukölln und Spandau organisiert. Gemeinsam suchen die beiden nun nach einem geeigneten Standort, um ihre Idee zu testen. Und Sven Hähnichen treibt das Thema grundstücksübergeifende Lösungen voran. Schon vor dem Wettbewerb hatte er von der Senatsumweltverwaltung den Auftrag erhalten, eine Studie dazu anzufertigen. Wir unterstützen ihn, wo wir können – etwa bei der Steuerung des Begleitkreises, der Organisation der Abschlussveranstaltung oder der Umsetzung eines weiteren grundstücksübergreifenden Projekts in Charlottenburg. 

Geben Sie uns eine Vorschau auf die nächsten fünf Jahre: Wo sehen Sie die dringendsten Probleme Berlins auf dem Weg zu einer Schwammstadt mit nachhaltigem Regenwassermanagement?

Der Schwerpunkt der nächsten Jahre muss eindeutig im Bestand liegen, also in dem bereits dicht bebauten und stark versiegelten innenstädtischen Bereich. Denn da sind die Probleme, denen man mit der Schwammstadt begegnen möchte, am größten: Bei Starkregen fließt hier besonders viel Wasser in die Kanalisation ab und überlastet diese. Bei Hitze und Trockenheit wiederum fehlen Grünflächen, und die Pflanzen werden schlecht versorgt.

Daraus abgeleitet: An welchen aktuellen Vorhaben und Projekten werden Sie und Ihr Team in den kommenden Wochen, Monaten oder sogar Jahren arbeiten?

Wir beraten Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer zu sämtlichen Fragen rund um die Planung, den Bau und den Betrieb von Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung. Die Zahl der Beratungsanfragen, die wir 2022 bearbeitet haben, lag bei 300. In diesem Jahr steuern wir auf 400 zu. Und wir erwarten, dass die Zahl der Anfragen eher zu- als abnehmen wird. Wir haben außerdem starke digitale Werkzeuge entwickelt, um zentralen Akteuren wie beispielsweise Planerinnen und Planern. Bezirken und Wohnungsunternehmen die Arbeit zu erleichtern. Dazu gehören ein Kostenrechner, eine Fördermittel-Übersicht oder eine Projektdatenbank mit Beispielen zum Nachahmen. Aktuell entwickeln wir ein weiteres Angebot, mit dem wir Liegenschaftsverwalter noch gezielter bei der Identifikation von wirtschaftlichen Projekten unterstützen können. Wir arbeiten daran, dass alle Akteure diese Tools kennen und in ihre Arbeit integrieren.

Zu unseren „Kassenschlagern“ gehört darüber hinaus die Begleitung von größeren Vorhaben bis hin zu den Quartiersentwicklungen. Wir wollen, dass aus jedem Quartier ein Schwammquartier wird. Aktuell begleiten wir etwa 30 Vorhaben: indem wir den Wissenstransfer beschleunigen, die Einführungen neuer Lösungen unterstützen, Konflikte klären und städtebauliche Prozesse optimieren. Seit November 2023 haben wir zwei neue Mitarbeiter, einen Umweltingenieur und eine Landschaftsarchitektin, um dieses Angebot ausbauen zu können.

Regenwassermanagement betrifft den urbanen Raum im weitesten Sinne. Welche Lösungsansätze bietet eine Smart City hier?

Die gelungene Planung von beispielsweise einer neu zu gestaltenden Straße oder einem Platz setzt einen intensiven Austausch der Verantwortungs- und Interessenträger voraus. Um diesen partizipativen Prozess zu unterstützen, haben die Regenwasseragentur und die Berliner Wasserbetriebe zusammen mit einem Spezialisten für Multi-User-Systeme einen interaktiven Planungstisch entwickelt. Das Besondere an diesem digitalen Planungstool ist, dass alle relevanten Akteure auch physisch mit sämtlichen verfügbaren Informationen an einem Tisch zusammenkommen und im unmittelbaren Kontakt gemeinsam planen können. So finden sie einfach und schneller eine gemeinsame Linie und einen Interessenausgleich. Große Chancen sehen wir auch in Techniken der Visualisierung. Mittels 3D oder Augmented Reality können wir zeigen, wie sich Räume positiv verändern lassen und Menschen damit die Furcht vor Veränderungen nehmen. 

Wie sieht für Sie die Stadt der Zukunft aus?

In der sogenannten Schwammstadt speichern, nutzen, verdunsten und versickern Menschen Regenwasser vor Ort. Sie schützen damit die Stadt, ihre Bewohnerinnen und Bewohner und die Natur vor den Folgen des Klimawandels wie Hitze, Trockenheit und Starkregen. Und sie erhöhen die Lebensqualität, indem sie attraktive Freiräume mit viel Grün und gesunden Gewässern schaffen.

Könnten Sie bitte folgenden Satz beenden: „Berlin ist smart, weil …“

… so viele Menschen mit Herzblut daran arbeiten, die Idee der Schwammstadt Realität werden zu lassen. (vdo)

regenwasseragentur.berlin

@ David Ausserhofer
© David Ausserhofer

Dr. Anita Dame

„Klimatransformation ist ein Marathon“, sagt Dr. Anita Dame. Seit 2020 leitet sie als Geschäftsführerin das Climate Change Center Berlin Brandenburg.

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Matthias Heskamp

...ist Geschäftsführer der Reallabor Radbahn gUG sowie Vorstand von paper planes e.V. Der Verein hat die Idee des Reallabors Radbahn entwickelt und…

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Prof. Dr. Stefanie Molthagen-Schnöring

... ist Projektleiterin „Zukunft findet Stadt“ und Vizepräsidentin für Forschung, Transfer und Wissenschaftskommunikation an der HTW Berlin.

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