Prof. Dr. Stefanie Molthagen-Schnöring
Projektleiterin „Zukunft findet Stadt“
Kernthemen sind „Gesundheit“ und „Klima“: Das 2023 angelaufene Projekt „Zukunft findet Stadt – Hochschulnetzwerk für ein resilientes Berlin“ ist für Berlin bisher einzigartig. Fünf Berliner Hochschulen für angewandte Wissenschaften – die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin), die Berliner Hochschule für Technik (BHT), die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin), die Evangelische Hochschule Berlin (EHB) sowie die Katholische Hochschule Berlin (KHSB) – bündeln ihre Kompetenzen und entwickeln und erproben Transferformate in Kooperation mit Unternehmen, Institutionen sowie den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt. Gefördert wird das Projekt im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufenen Initiative „Innovative Hochschule“ über einen Zeitraum von fünf Jahren mit insgesamt acht Millionen Euro. Smart-City-Ansätze werden sich in vielen Teilprojekten und Kooperationen von „Zukunft findet Stadt“ wiederfinden. Zum Beispiel über das Reallabor des Forschungsclusters „Sustainable Smart Cities“ auf dem Campus der HTW Berlin.
Frau Prof. Dr. Molthagen-Schnöring, was möchten die fünf an „Zukunft findet Stadt“ beteiligten Berliner Hochschulen mit dem Projekt erreichen?
Der Ausgangspunkt unserer gemeinsamen Bewerbung für die Förderinitiative „Innovative Hochschule“ war, dass wir feststellten: An den fünf beteiligten Berliner Hochschulen für angewandte Wissenschaften laufen bereits viele tolle Forschungsprojekte. Uns war es ein wichtiges Anliegen, die unterschiedlichen Themen und Forschungskompetenzen zu bündeln, sie sichtbarer zu machen und sie stärker für die Stadt Berlin zu nutzen.
Diese Bündelung erfolgt ja entlang von zwei Themenfeldern: Gesundheit und Klima. Wonach wurden diese ausgewählt?
Beides sind Themenschwerpunkte, die Berlin sehr stark bewegen. Es sind außerdem thematische Bereiche, in denen sich die Forschungskompetenzen der an „Zukunft findet Stadt“ beteiligten Hochschulen perfekt ergänzen. Die HTW Berlin und die BHT sind eher technisch orientiert, EHB und KHSB bringen Zugänge aus dem Bereich Soziales und Gesundheit mit, die HWR Berlin Expertise aus Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften sowie ausgewählten technischen Schwerpunkten. Diese verschiedenen Perspektiven im Rahmen von „Zukunft findet Stadt“ zusammenzubringen – gemeinsam mit der Berliner Stadtgesellschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft – ist für uns ein spannendes Experiment.
Wie finden Sie Partner für das Projekt?
Alle beteiligten Hochschulen haben natürlich bereits Kooperationen und Kooperationspartner. Inhaltlich sind wir über unsere beiden Schwerpunkte hinaus sehr offen. Es gibt viele Themen, an die wir andocken können. Wir wollen künftig insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen ansprechen, die häufig unsicher sind, wo sie ansetzen könnten. Häufig münden solche Kooperationen erstmal in kleineren Projekten. Es können beispielsweise Abschlussarbeiten daraus entstehen, Studierendenprojekte oder eine Promotion. Solche Kooperationen im Kleinen können sich aber durchaus zu größeren Forschungsprojekten entwickeln.
Die Projekte werden also von den Hochschulen angeschoben?
Es werden Projekte angeschoben, Menschen miteinander vernetzt, und es sollen erste Prototypen entstehen. Daher haben wir auch Formate in „Zukunft findet Stadt“ integriert wie Hackademies oder Labs. Wir wollen unsere Labore öffnen und sie nutzbar machen für Akteurinnen und Akteure aus der Zivilgesellschaft oder für Unternehmen, die konkrete Fragestellungen haben und vor Ort mit den Studierenden arbeiten möchten. Solche Fragestellungen können übrigens auch in bestehende Lehrveranstaltungen eingebettet werden. Mit einer Roadshow durch Berliner Unternehmen wollen wir außerdem Anknüpfungspunkte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ausloten. Schließlich sind wir als Berliner Hochschulen für angewandte Wissenschaften für die Stadt da. Und wir wollen, dass Innovationen, die in Berlin entstehen, hier auch umgesetzt werden – und bleiben.
Die geplante Roadshow erwähnten Sie bereits. Mit welchen anderen Maßnahmen wollen Sie weitere Partner für „Zukunft findet Stadt“ gewinnen?
Bereits existierende Partnerschaften mit Einrichtungen wie der Johannisstift Diakonie, dem Museum für Naturkunde Berlin und dem Impact Hub Berlin haben wir bewusst gewählt, um unsere Sichtbarkeit in der Stadtgesellschaft zu erhöhen und damit auch nach außen hin deutlich zu machen, dass Hochschulen ein wichtiger Standortfaktor für Berlin sind. Für den Aufbau von Partnerschaften mit Unternehmen haben wir andere Wege geplant: Zum einen machen wir über Multiplikatoren wie Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie, die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg oder auch die IHK Berlin weitere Unternehmen auf das Projekt aufmerksam. Eine Matching-Plattform soll außerdem Kooperationsprojekte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft einleiten. Die Bedarfe der Unternehmen und die Expertisen der Hochschulen sollen über die Plattform gezielt zusammengebracht werden. Die Stadtgesellschaft werden wir über Formate wie die „KiezTalks“ sehr niedrigschwellig einbinden, um gemeinsam mit unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu überlegen, was für den jeweiligen Kiez oder Bezirk getan werden kann.
Stichwort „Third Mission": Warum ist der Transfer von Wissen aus der Hochschule heraus heute so wichtig?
Wir arbeiten ja nicht im luftleeren Raum. Forschung und Wissenschaft sollen der Gesellschaft zugutekommen: Über die Ausbildung von jungen Menschen, die bestmöglich darauf vorbereitet werden, dass sie später im Berufsleben ihren Platz finden. Aber auch dadurch, dass Wissen, das ja auch in Kooperation mit Akteurinnen und Akteuren aus der Wirtschaft, mit anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen etc. erarbeitet wird, der Gesellschaft wieder zur Verfügung gestellt wird. Nehmen wir den Klimawandel: Die Wissenschaft hat inzwischen viele tolle Ansätze entwickelt, die dazu beitragen können, dem Klimawandel zu begegnen. Wir werden ihn nicht aufhalten können, aber wir können versuchen, diese Herausforderung als Gesellschaft gemeinsam meistern. Es mag vielleicht ein bisschen idealistisch klingend, aber das ist für mich ein sehr naheliegender Grund für Wissenstransfer. Der andere ist, klar im Blick zu behalten, dass Forschungsergebnisse der Wissenschaft auch von der Praxis genutzt werden können und Relevanz entfalten.
Inwiefern ist die Smart City im Rahmen von „Zukunft findet Stadt“ Thema?
Wir denken Smart City sehr stark in Verbindung mit Nachhaltigkeitsthemen und betrachten, wo und wie die smarte Stadt nachhaltig und resilient sein kann. Die Grundidee bei dem Projekt ist es, vor allem auch die Anwenderperspektive mitzudenken. Also nicht eindimensional rein technische Lösungen zu finden, die dann vielleicht kaum genutzt werden, sondern vom Anfang an auch Expertise aus anderen Bereichen wie dem User Centered Design einzubinden – und eben aus der Bevölkerung. Am Ende bewegen wir uns dann vielleicht sogar ein bisschen im Bereich Citizen Science. Beispielsweise könnten Bürgerinnen und Bürger mit Apps neue Anwendungen in ihrem regionalen Umfeld testen.
2021 wurde an der HTW Berlin das interdisziplinäre Forschungscluster „Sustainable Smart Cities“ eingerichtet. Wird der Campus der HTW Berlin als Reallabor des Clusters in „Zukunft findet Stadt“ eingebunden?
Exakt. Die Kolleginnen und Kollegen im Forschungscluster „Sustainable Smart Cities“ sind sehr transferstark und kooperieren bereits vielfach mit den Bezirken. Diese Kontakte sind natürlich sehr wertvoll für das Projekt. Unlängst haben wir uns auch mit den Klimaschutzbeauftragten der Bezirke getroffen, um zu besprechen, wie diese bei entsprechenden Fragestellungen mit uns in Kontakt treten können.
Wie sieht für Sie die Stadt der Zukunft aus?
Die Stadt der Zukunft ist für mich vor allem grün. Und sie ist für mich ein Ort der Kommunikation. Ich habe dabei immer das Bild von italienischen Kleinstädten vor Augen. Auf der Piazza trifft man sich abends, und die Leute stehen ganz lange draußen und reden einfach miteinander. Ich glaube, wir brauchen mehr solche Plätze, an denen Begegnungen zwischen unterschiedlichen Altersgruppen und sozialen Schichten entstehen. Das funktioniert wahrscheinlich nur in den Kiezen. Aber ich glaube, dass dadurch die Identifikation mit einer Stadt wie Berlin gestärkt werden kann. Und vielleicht auch das Gefühl der gemeinsamen Verantwortung für die Stadt.
Könnten Sie bitte folgenden Satz beenden: „Berlin ist smart, weil …“
Wegen der Menschen. Es gibt super viele smarte Menschen in der Stadt, die in verschiedenen Perspektiven über das nachdenken, was sie tun und kreative Lösungen entwickeln. Diese vielen smarten Menschen machen Berlin für mich nach wie vor zu DER Stadt, in der ich leben kann und arbeiten will. (vdo)
Projekt „Zukunft findet Stadt“
Das Interview erschien ursprünglich in modifizierter Fassung auf BrainCity.Berlin