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Ninett Rosenfeld und Julia Zimmermann

Technologiestiftung Berlin

2019 fiel in Berlin-Köpenick für 30 Stunden der Strom aus. Der Blackout traf die Stadt unerwartet. Die Polizei fuhr mit Schildern durch die Straßen und machte Lautsprecheransagen, um die Anwohner*innen zu informieren und einen Massenandrang an den Rettungswachen zu verhindern. Die Idee für die Kiezbox 2.0 war geboren. Von Februar 2023 bis September 2025 wurde das Projekt als Pilotmaßnahmen im Rahmen des Programms Modellprojekte Smart Cities (MPSC) und der Smart City Strategie „Gemeinsam Digital: Berlin“ (GD:B) entwickelt und umgesetzt. Zielsetzung der Kiezbox 2.0: die Resilienz der Stadt Berlin im Falle eines Stromausfalls zu stärken. Was die Kiezbox genau ist und wie sie im Krisenfall funktioniert, erläutern Ninett Rosenfeld und Julia Zimmermann von der Technologiestiftung Berlin (TSB) im Interview.

Was kann die Kiezbox 2.0?

Grob gesagt: Wenn das Mobilfunknetz einmal ausfällt und die Rettungsdienste im Notfall nicht erreicht werden können, kann über die Kiezbox Hilfe gerufen werden.

Wie genau funktioniert das?

Im Prinzip reden wir über ein mit Solarstrom betriebenes System, das aus mehreren echten Kiezboxen besteht, die auf Flachdächern in der gesamten Stadt verteilt werden. Im Falle eines Blackouts spannen diese Boxen ein WLAN-Mesh-Netzwerk auf, welches bis zu fünf Tage ohne Strom betrieben werden kann.

Inwiefern kann die Kiezbox als GD:B-Projekt die Resilienz Berlins stärken? 

„Wie wissen, wo Hilfe benötigt wird, wenn niemand anrufen kann?“ An diese Frage knüpft die Kiezbox 2.0 und unterstützt damit die Berliner Rettungsdienste. Über das Kiezbox-WLAN kann die Bevölkerung Notrufe per Voice over IP direkt an die Berliner Feuerwehr absetzen und trotz Stromausfall in Echtzeit kommunizieren. So kann die vorhandenen Notfallkommunikation aufrechterhalten werden und die Stadt in einem Krisenfall weiterhin agieren. Möglich macht dies eine schlanke App, die auf jeder Box installiert ist: das Kiezbox-Infoportal. Neben dem Notruf bietet das Portal offizielle Informationen des Bundesamts für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz an und ermöglicht den Bürger*innen so eine individuelle, selbstständige Hilfe zur Selbsthilfe. Das Infoportal liefert auch wichtige Informationen zu Standorten in der Stadt, damit die Bevölkerung im Krisenfalls notwendige Ressourcen wie Wasser, Defibrillatoren oder auch Toiletten finden kann.

Über Sensoren misst die Kiezbox auch Umweltdaten: Von wem und mit welcher Zielsetzung werden diese ausgewertet?

Pro Kiezbox können beliebig viele Sensorboxen installiert werden. Wir messen Daten zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Feinstaubbelastung und Lautstärke, die alle fünf Minuten über das LoRa-Protokoll an eine Datenbank übertragen und von dort per Open-Source-Sofware Grafana sichtbar gemacht werden. Da das Sensormodul flexibel einsetzbar ist und die Sensoren individuell austauschbar sind, lassen sich die Daten vielfältig auswerten, um beispielsweise Tendenzen oder Unterschiede im Mikroklima deutlich zu machen. Bislang werden die Daten von uns jedoch nicht genutzt.

Die Kiezbox-Pilotphase lief im Schöneberger Kiez: Warum gerade dort?

Die TSB sitzt ja am Bayerischen Platz – und damit in Schöneberg. Da der Pilot und das Mesh-Netz von uns aus aufgebaut wurden, haben wir Schöneberg als Pilotgebiet genommen. Dies hatte den Vorteil, dass wir in der Testphase flexibel an der Kiezbox arbeiten und in nächster Nähe Änderungen und Verbesserungen vornehmen konnten. Das Rathaus Schöneberg ist außerdem einer von 44 Katastrophenschutz-Leuchttürmen der Stadt Berlin.

Mit wem habt ihr zusammengearbeitet?

Die TSB ist alleinige Projektleiterin und war somit maßgeblich für die Umsetzung der Kiezbox 2.0 zuständig. Ohne den ständigen Austausch mit der Verwaltung und der Berliner Feuerwehr wäre das Projekt allerdings nicht so erfolgreich geworden. Wir haben uns bei der Definition der Anforderungen mit der Berliner Feuerwehr und dem Kompetenzzentrum für Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement der Senatsverwaltung für Inneren und Sport abgestimmt. Darüber hinaus konnten wir gemeinsam mit der Berliner Feuerwehr die technischen und organisatorischen Anforderungen an ein solches Kommunikationssystem erarbeiten – und das sowohl aus Perspektive der Bevölkerung als auch der Rettungsdienste. Diese Anforderungen wurden in Gesprächen mit der Berliner Polizei bestätigt. Weitere Kontakte existierten beispielswiese zu den Betreiber*innen der offiziellen Notruf-App der Bundesländer (nora) und zu Mitarbeiter*innen des Katastrophenschutzes in Tempelhof-Schöneberg. Auch wirtschaftliche Akteur*innen zeigten sich interessiert.

Mitte Juni 2025 gab es eine Krisenübung mit der Berliner Feuerwehr? Was wurde dabei getestet? 

In Vorbereitung der Krisenübung haben wir das gesamte System auf Herz und Nieren getestet. Wir haben zunächst technische Test durchgeführt, um zu gewährleisten, dass die Kiezbox Anrufe über Voice Over IP in guter Sprachqualität und mit nur geringer Verzögerung an die Leitstelle der Berliner Feuerwehr übertragen kann. Bei der Krisenübung selbst wurde das System dann hinsichtlich seiner Akzeptanz getestet. Das bedeutet konkret: Wir haben mit Personen, die das Kiezbox-Notrufsystem vorher noch nicht genutzt hatten, den Ablauf eines Notfalls während eines flächendeckenden Stromausfalls durchgespielt. Anschließend haben wir sie gefragt, wie sie mit dem Infoportal und dem Absetzen eines Notrufs zurechtgekommen sind. Ebenfalls wurde getestet, ob Call-Taker*innen in der Leitstelle der Berliner Feuerwehr Notrufe entgegennehmen und den jeweiligen Notfall wie gewohnt aufnehmen und verarbeiten können.

Welche Erkenntnisse konnten aus der Krisenübung gewonnen werden?

Wir konnten zeigen, dass das Notrufsystem der Kiezbox gut funktioniert. Die Proband*innen konnten über das System einen Notruf absetzen und die Call-Taker*innen konnten diesen entgegennehmen, verstehen und verarbeiten. Über das Infoportal fanden die Testpersonen außerdem für sie wichtige Infos, die ihnen halfen, die Krisensituation selbstständig zu meistern.Es stellte sich aber auch heraus, dass beispielsweise Informationen zu Krankenhaus-Standorten und Sammelstellen fehlten und die App durch mehr Open Data erweitert werden könnte. Ebenso, dass eine direkte Anbindung des Kiezbox-Systems an eine Einsatzstelle der Feuerwehr die Robustheit des Systems maßgeblich erhöhen würde.

Das Pilotprojekt Kiezbox 2.0 ist im Juli 2025 ausgelaufen. Wie sieht die Zukunft der Kiezbox aus? Gibt es bereits Pläne?

Wir arbeiten aktuell an einer Skizze, die die mittelfristige Verstetigung und tatsächliche Nutzung der Kiezbox in Berlin fokussiert. Berliner Feuerwehr und Polizei würden das Vorhaben per Letter of Intent unterstützen. Aktuell liegt die Skizze bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zur Vorlage.

Wie sieht für euch die Stadt der Zukunft aus?

Inklusiv und bürgernah. Eine Stadt in der man Technologie als Mittel zum Zweck nutzt – und nicht andersherum.

Könnt ihr bitte folgenden Satz ergänzen: „Berlin ist smart, weil …“

… Standardlösungen hier noch nie funktioniert haben.

 

Mehr über die Kiezbox erfahren? Am 30. September präsentiert sich das Projekt  auf der Smart Country Convention am Stand der Smart City Berlin, Hub27. Programmdetails demnächst hier.

© TSB

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